Im Göttinger Norden kurz unterhalb des Waldes am Tannenberg liegt ein artenreiches Biotop inmitten von konventionell bewirtschafteten, artenarmen Agrarversuchsflächen der Universität Göttingen, der PermaKulturRaum. Der PermaKulturRaum ist ein Projekt von Studierenden der Göttinger Hochschulen unter Beteiligung von anderen nicht mit den Hochschulen assoziierten Menschen (Kurzinfo als [PDF]). Hier wird die Gestaltung des Raumes unter der Ethik und den Prinzipien des Permakultur-Designkonzepts ausprobiert. Permakultur ist eine kulturelle Bewegung, die Räume so gestaltet, dass diese sich erneuern und erhalten.
„Permakultur verbindet Analyse- und Gestaltungsmethoden mit ökologischem Wissen und einer ganzheitlichen Naturphilosophie, um sich selbsterhaltende, organische Kreisläufe zu schaffen. Das kann auf die Gestaltung von Gärten, Häusern, Firmen[, landwirtschaftlichen Betrieben] und auf den eigenen Lebensweg angewendet werden.“
– oya anders denken.anders leben
In einem Permakultur-Designprozess wird anhand von Beobachtungen der örtlichen Gegebenheiten, Bedürfnisse, Kapazitäten und Möglichkeiten mit einem Pool von Methoden, aus Permakultur-Ethik und -Gestaltungsprinzipien ein Permakultur-Design entwickelt. Dieser Designprozess ist gleichzeitig eine Lern- sowie eine Gestaltungsmethode. Er gibt uns ein Verständnis über systemische Zusammenhänge und wie wir diese in die Praxis umsetzen. Bei der Betrachtung des Systems werden alle Elemente mit ihren Interaktionen betrachtet, wie zum Beispiel beim Pflanzen eines Baumes: meine Ziele, die Standortgegebenheiten (Nährstoffe, Bodenbeschaffenheit), seine Wirkung auf die Umgebung (Erholung, Licht, Wasser), sein Wachstumspotential (Ertrag), sein Nutzungspotenzial (Ernährung, Lebensraumnische)…
„Es ist möglich, kleine Veränderungen in einem System vorzunehmen, in deren Folge es sich ergibt, dass die einzelnen Elemente des Systems eine größere Überlebenschance haben oder dass der Ertrag des Systems wächst.“
Der direkte Praxisbezug der Permakultur macht diese zu einem zukunftsfähigen Ansatz, der das Potential trägt, unsere Gesellschaft zu transformieren und unsere Weltsicht neu zu prägen .
Ethik der Permakultur
Die Permakultur-Ethik ist abgeleitet von den Erkenntnissen aus der Erforschung verschiedener historischer und aktueller Ethiken. Sie wird meist mit drei ethischen Hauptmaximen beschrieben, wobei das zweite und das dritte Maxim sich vom Ersten ableiten lassen (Bane, 2012):
- Sorge um die Erde
Bewirtschafte Boden, Wälder und Wasser (schaffe auch ‚Schutzräume‘) - Sorge um die Menschen
Kümmere dich um dich selbst, dir nahe Menschen und die weitere Gemeinschaft - Faires Teilen
Setze Grenzen für Konsum und Fortpflanzung und verteile Überschüsse
Ethik der Permakultur
Gestaltungsprinzipien
Die Permakultur-Gestaltungsprinzipien lassen sich auf alle Lebensbereiche anwenden. Einen Überblick über die Vielfältigkeit unserer Lebensbereiche bietet zum Beispiel die Permakultur-Blume, diese bildet sieben Überkategorien (Holmgren, 2016):
- Verantwortung im Umgang mit Land & Natur
- Gebäude & Umgebung
- Werkzeug & Technologie
- Bildung & Kultur
- Gesundheit & spirituelles Wohlbefinden
- Finanzen & Ökonomie
- Landbesitz & Gemeinschaft
Das Spektrum der Gestaltungsprinzipien ist zahlreich, so wird auf Ökosystemkriterien zurückgegriffen, auf die Permakultur-Blume, auf die Prinzipien nach Mollison oder nach Holmgren.
Gestaltungsprinzipien nach David Holmgren (Holmgren, 2016):
- Beobachte und interagiere
- Sammle und speichere Energie
- Erwirtschafte einen Ertrag
- Wende Selbstregulierung an und lerne aus den Ergebnissen
- Nutze erneuerbare Ressourcen und Leistungen
- Produziere keinen Abfall
- Plane erst Muster dann Details
- Integriere statt abzugrenzen
- Bevorzuge kleine und langsame Lösungen
- Nutze und schätze die Vielfalt
- Nutze Randzonen und schätze das Marginale
- Reagiere kreativ auf Veränderung
Gestaltungsprinzipien
Designprozess
Der Designprozess basiert auf eine wiederholte Abfolge von Prozessschritten und folgt Kreisläufen, aus denen sich eine Entwicklungsspirale ergibt. Jedes Design beinhaltet im groben fünf Schritte: die Beobachtung, die Analyse, das Design, die Umsetzung und die Pflege. Dabei wird das Verfahren permanent beobachtet – mit Fragen im Hinterkopf wie: was klappt? was möchte angepasst werden? was passiert nebenbei? – was zu einem wiederkehrenden Neubeginn des Designprozesses, mit Erweiterungen in der Planung und Optimierungen, führt.
Die fünf Schritte lassen sich mit folgenden Handlungen bzw. Fragen verknüpfen:
- Beobachtung: Was sehe ich?
- Analyse: Wie kann ich dies mit meinem Wissen vernetzen? Was brauche ich?
- Design: Wie kann ich das Zusammenbringen? Wie Umsetzen und Pflegen?
- Umsetzung: Durchführung der im Design geplanten Projekte
- Pflege und Evaluation: Welche Bedürfnisse/Funktionen werden erfüllt? Welche bleiben unerfüllt? Wo sind neue Bedürfnisse entstanden?
Zu allen Schritten, die je nach Planungsmodell weiter untergliedert bzw. um Randpunkte ergänzt sind, gibt es eine Vielzahl an Methoden die sich zur Durchführung anbieten. Damit der Designprozess möglichst stimmig abläuft, bietet es sich an, auf die Vielfalt der Methoden zurückzugreifen. Eine wichtige Basis bildet die Beobachtung. In Permakultur-Kreisen kursiert die Aussage das erst dann ein stimmiger Designprozess durchlaufen werden kann, wenn im Voraus ein Jahr lang der zu gestaltende Ort beobachtet wurde, ohne ihn zu verändern. Wenn das Wahrgenommene erfasst und dokumentiert wurde, kann daraus die Analyse abgeleitet werden. In der Analyse wird die Beobachtung interpretiert und bewertet. Es wird geschaut was ist vorhanden und was wird gebraucht? Was sind Vorzüge und was sind Nachteile? Was braucht es um sich an den Permakultur-Prinzipien und der -Ethik zu orientieren? Beim Design oder auch Entwurf kommt es darauf an das Vorhandene zu erkennen und aus diesem einen Weg zu gestalten, mit dem erfüllt werden kann was gebraucht wird. Dabei geht es auch um die Planung der Umsetzung (Welche Schritte braucht es damit das Design Realität werden kann?), der Pflege (Wie wird die Erhaltung und Wartung sichergestellt?) und Evaluation (Wie beurteile ich mein Ergebnis und verbessere es?). Ist das Design erstellt geht es an die Umsetzung und im Anschluss an die Pflege und Evaluation. Der Prozess kann bedingen, dass Dinge scheitern. In diesem Fall braucht es zur Bedürfniserfüllung einen neuen Planungs- bzw. Designprozess. Gelingt alles nach Plan schließt sich spätestens an die Evaluation eine Optimierung und damit eine Designweiterentwicklung mit neuem Designprozess an.
Designprozess
Der PermaKulturRaum und Permakultur-Design
Der PermaKulturRaum wurde 2011 in einer Kooperation zwischen Studierenden und Dozierenden der geowissenschaftlichen Fakultät ins Leben gerufen. Das ambitionierte Projekt startete auf der Fläche des Altenpflanzgartens, mit dem Ziel Dinge zu verändern, Zeichen zu setzen und zu zeigen wie ein anderes Agieren mit der Umwelt funktionieren kann. Vieles wird und wurde ausprobiert und an kreativen Ideen für Design-Elemente mangelte es nie. Da diese oft nicht im Rahmen eines ganzheitlichen Konzepts gedacht wurden oder sich die Bedürfnisse geändert haben, gab und gibt es einige Artefakte die in ihrer Funktion heute nicht (mehr) so recht gebraucht werden.
Ein erstes ganzheitliches Flächenkonzept entstand im Rahmen eines Permakultur-Designprozesses im Winter 2016/17. Das vorrangige Ziel lag in einer klaren Strukturierung der Fläche, der Identifikation von ungenutzten Artefakten, deren Entfernung oder Nutzungsänderung und der Gestaltung eines Rahmens für weitere Detailplanungen. Der Anstoß einer fortlaufende Design-Spirale, welche in einem etwa jährlichen Rhythmus fortgeführt werden möchte, ist ein weiterer wichtiger Schritt.
Der PermaKulturRaum und Permakultur-Design
Literaturverzeichnis
Bane, P. (2012). The Permaculture Handbook. Gabriola Island: New Society Publishers.
Holmgren, D. (2016). Permakultur. Gestaltungsprinzipien für zukunftsfähige Lebensweisen. Klein Jasedow: Drachen Verlag.
Mollison, B. (2009). Permakultur konkret. Entwürfe für eine ökologische Zukunft. Darmstadt: pala-Verlag.